Von der Stadtmaus und der Feldmaus Eine Stadtmaus ging spazieren und kam zu einer Feldmaus. Die tat sich gütlich an
Eicheln, Gersten, Nüssen, die sie gesammelt hatte. Die Feldmaus zog mit ihr hin in ein herrlich schönes Haus, darin die Stadtmaus wohnte. „Dies ist nicht
Haus, meinte die Stadtmaus, ich wohne nur hier". Und sie gingen in die Kammern, die voll waren von Fleisch, Speck, Würsten, Brot, Käse und allem. Da sprach die Stadtmaus: „Nun iss und sei guter Dinge,
Mahl soll reichhaltig werden. Solche Speise habe ich täglich im Überfluss." Da kam der Kellner und rumpelte mit
Schlüsseln an der Tür. Die Mäuse erschraken und liefen davon. Die Stadtmaus fand bald
Loch, aber die Feldmaus wusste nirgends hin, lief die Wand auf und ab und gab schon
Leben verloren. Als der Kellner wieder hinaus war, sprach die Stadtmaus: „ Not hat ein Ende, lass uns guter Dinge sein." Die Feldmaus antwortete: „Du hast gut reden, du wusstest
Loch fein zu treffen, derweil ich mit
Angst allein war. Ich will dir sagen, was
Meinung ist: Bleib du eine Stadtmaus und friss Würste und Speck, ich will ein armes Feldmäuslein bleiben und
Eicheln essen. Du bist keinen Augenblick sicher vor dem Kellner, vor den Katzen, vor so vielen Mäusefallen und das ganze Haus ist dir feind. Von alldem bin ich frei und bin sicher in
armen Feldlöchlein."
Wer reich ist, hat viel Sorge. Fabel von Martin Luther (Text tw. geändert) |