Theodor Fontane - Balladen


Theodor Fontane Ballade

John Maynard

John Maynard!

„Wer ist John Maynard?"

„John Maynard war unser Steuermann,
Aushielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

***


Die "Schwalbe" fliegt über den Eriesee,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
„Feuer!" war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, buntgemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich's dicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? Wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
„Noch da, John Maynard?"
„Ja, Herr. Ich bin."
„Auf den Strand! In die Brandung!"
„Ich halte drauf hin."
Und das Schiffvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. -

„Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

***

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt.

***

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

„Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard!"

John Maynard Ballade

Die Brück' am Tay

"Wann treffen wir drei wieder zusamm'?"
"Um die siebente Stund', am Brückendamm."
"Am Mittelpfeiler."
"Ich lösch die Flamm'."
"Ich mit."
"Ich komme vom Norden her."
"Und ich vom Süden."
"Und ich vom Meer."

"Hei, das gibt ein Ringelreihn,
und die Brücke muß in den Grund hinein."
"Und der Zug, der in die Brücke tritt
um die siebente Stund'?"
"Ei, der muß mit."
"Muß mit."
"Tand, Tand
ist das Gebild von Menschenhand."

Auf der Norderseite, das Brückenhaus -
alle Fenster sehen nach Süden aus,
und die Brücknersleut', ohne Rast und Ruh
und in Bangen sehen nach Süden zu,
sehen und warten, ob nicht ein Licht
übers Wasser hin "ich komme" spricht,
"ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,
ich, der Edinburger Zug."

Und der Brückner jetzt: "Ich seh einen Schein
am andern Ufer. Das muß er sein.
Nun, Mutter, weg mit dem bangen Traum,
unser Johnie kommt und will seinen Baum,
und was noch am Baume von Lichtern ist,
zünd alles an wie zum heiligen Christ,
der will heuer zweimal mit uns sein, -
und in elf Minuten ist er herein."

Und es war der Zug. Am Süderturm
keucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,
und Johnie spricht: "Die Brücke noch!
Aber was tut es, wir zwingen es doch.
Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
die bleiben Sieger in solchem Kampf,
und wie's auch rast und ringt und rennt,
wir kriegen es unter: das Element.

Und unser Stolz ist unsre Brück';
ich lache, denk ich an früher zurück,
an all den Jammer und all die Not
mit dem elend alten Schifferboot;
wie manche liebe Christfestnacht
hab ich im Fährhaus zugebracht
und sah unsrer Fenster lichten Schein
und zählte und konnte nicht drüben sein."

Auf der Norderseite, das Brückenhaus -
alle Fenster sehen nach Süden aus,
und die Brücknersleut' ohne Rast und Ruh
und in Bangen sehen nach Süden zu;
denn wütender wurde der Winde Spiel,
und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel,
erglüht es in niederschießender Pracht
überm Wasser unten... Und wieder ist Nacht.

"Wann treffen wir drei wieder zusamm'?"
"Um Mitternacht, am Bergeskamm."
"Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm."
"Ich komme."
"Ich mit."
"Ich nenn euch die Zahl."
"Und ich die Namen."
"Und ich die Qual."
"Hei!
Wie Splitter brach das Gebälk entzwei."
"Tand, Tand
ist das Gebilde von Menschenhand."

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Theodor Fontane Ballade

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand,
und kam die goldene Herbsteszeit
und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
und kam in Pantinen ein Junge daher,
so rief er: "Junge, wist' 'ne Beer?"
und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ich hebb' 'ne Birn."

So ging es viel Jahre, bis lobesam
der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
wieder lachten die Birnen weit und breit,
da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab,
legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
trugen von Ribbeck sie hinaus,
alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
sangen "Jesus meine Zuversicht",
und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht,
ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht.
Der neue freilich, der knausert und spart,
hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
aber der alte, vorahnend schon
und voll Misstrau'n gegen den eigenen Sohn,
der wusste genau, was damals er tat,
als um eine Birn' ins Grab er bat,
und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus
ein Birnbaumsprössling sprosst heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
und in der goldenen Herbsteszeit
leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' über'n Kirchhof her,
so flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn,
kumm man röwer, ich gew' di 'ne Birn."
So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

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Theodor Fontane

Marie Duchatel

»Welchen Hofstaat bringt unsre Königin mit?«
»Sie bringt mit ihre vier Marien,
Ihre vier Marien von Frankreich her,
Die müssen mit ihr ziehn.

Die müssen ihr plätten und glätten das Bett
Und warten auf der Schwell',
Ich kenne die jüngste, die schönste,
Das ist Marie Duchatel.«

Marie Duchatel sprang ans Ufer,
Im Winde flog ihr Haar,
Der König sah Marie Duchatel,
Und wie schön und wie schlank sie war.

Marie Duchatel sprang in den Bügel,
Ihr Haar war blond und licht,
Der König sah Marie Duchatel,
Die andern sah er nicht.

Marie Duchatel sprang aus dem Sattel
Und zur Kirche schritten sie hin,
Der König sah Marie Duchatel
Viel mehr als die Königin.

Und eh drei Wochen waren ins Land,
Da sangen sie laut und hell:
Was sind alle Mädchen am Hofe
Gegen Marie Duchatel.

Und eh drei Monde waren ins Land,
Da sangen sie, Groß und Klein:
Ach, ohne Marie Duchatel
Könnten wir gar nicht sein.

Marie Duchatel, Marie Duchatel,
Wolle nicht in den Garten gehn,
Der König ist da und die Nacht ist nah,
Und du kannst nicht widerstehn!

Nun pflücket sie heimlich vom Klosterbaum
Und ringt ihre Hände wund,
Doch das Leben unterm Herzen
Wird lebendiger jede Stund.

Und endlich hinaus zum Strande
Schleicht sie und trägt ihr Kind:
»Nun schwimme oder sinke«
Flüstert sie in den Wind. –

Am andern Morgen läuft's auf und ab:
»Wisset ihr, was geschah?
Marie Duchachtel hat ein Kleines,
Und das Kleine ist nicht da.«

Und die Königin ruft Marie Duchatel,
Die zittert und kommt geschwind :
»Ich hörte zu Nacht 'was wimmern!
Sag an, wo ist Dein Kind?«

»Ich habe kein Kind, Mylady,
Denket nicht so schlecht von mir,
Ich hatte Stiche und Schmerzen
Unterm Herzen hier.«

»Und hattest Du Stiche und Schmerzen,
Wohlan, heut bist Du gesund,
Bring mir meinen Mantel von Scharlach,
Wir reiten noch diese Stund;

Wir reiten von Schloss Stirling
Bis Edinburg ohne Müh,
Und in Edinburg gibt's Hochzeit
Morgen in aller Früh.«

Die Königin stieg zu Rosse,
Ihre Herren und Damen mit,
Sie ritten all im Trabe,
Marie Duchatel ritt im Schritt.

»Haltet an, liebe Herren und Damen,
Ich kann nicht folgen mehr;«
Sie hörten's und sprengten weiter,
Sie ritt seufzend hinterher.

Und als sie kamen zum Tore,
Da wussten sie's schon in der Stadt,
Alle Mädchen und Frauen schluchzten
So oft sie gegrüßet hat.

»Was weinet ihr, liebe Frauen?
Kommt mit, es soll Hochzeit sein;« –
Sie schüttelten ihre Köpfe
Und traten in's Haus hinein. –

Am Nordertor, wo das Zollhaus steht,
Da saßen sie zu Gericht,
Sie war erst sechzehn Jahre,
Das konnte sie retten nicht.

Durchs Südertor, am andren Tag,
Ein Zug und ein Karren schlich,
Marie Duchatel wollte lächeln
Und weinte bitterlich.

Sie kamen an den Hügel:
»Leb wohl, liebe Königin,
Von Deinen vier Marieen
Geht eine nun dahin.

Oft hab ich Dich angekleidet
Und Dir das Bett gemacht,
Dass es so kommen würde,
Das hab ich nie gedacht.

Oft hab' ich Dir mit Goldband
Dein Scharlachmieder gesäumt,
Von diesem Tag und dieser Stund
Ach, hab' ich nie geträumt.

Ihr Schiffer und ihr Matrosen,
Wenn ihr zu Schiffe geht,
Erzählt kein Wort in Frankreich
Von allem, was ihr nun seht.

Erzählt nicht meiner Mutter
Von dem Brett, auf dem ich stand,
Und nichts von meinem Tode
Und nichts von meiner Schand.

Ach, meine arme Mutter,
Als in der Wieg' ich lag
Und du mich herztest und küsstest,
Wie fern war dieser Tag!«

Theodor Fontane

Barbara Allen

Es war im Herbst, im bunten Herbst,
Wenn die rotgelben Blätter fallen,
Da wurde John Graham vor Liebe krank,
Vor Liebe zu Barbara Allen.

Seine Läufer liefen hinab in die Stadt
Und suchten, bis sie gefunden:
»Ach unser Herr ist krank nach dir,
Komm, Lady, und mach' ihn gesunden.«

Die Lady schritt zum Schloss hinan,
Schritt über die marmornen Stufen,
Sie trat ans Bett, sie sah ihn an:
»John Graham, du ließest mich rufen.«

»Ich ließ dich rufen, ich bin im Herbst
Und die rotgelben Blätter fallen,
Hast du kein letztes Wort für mich?
Ich sterbe, Barbara Allen.«

»John Graham, ich hab' ein letztes Wort,
Du warst mein All und Eines;
Du teiltest Pfänder und Bänder aus,
Mir aber gönntest du keines.

John Graham, und ob du mich lieben magst,
Ich weiß, ich hatte dich lieber,
Ich sah nach dir, du lachtest mich an
Und gingest lachend vorüber.

Wir haben gewechselt, ich und du,
Die Sprossen der Liebesleiter,
Du bist nun unten, du hast es gewollt
Ich aber bin oben und heiter.«

Sie ging zurück. Eine Meil' oder zwei,
Da hörte sie Glocken schallen;
Sie sprach: Die Glocken klingen für ihn,
Für ihn und für - Barbara Allen.

»Liebe Mutter mach ein Bett für mich,
Unter Weiden und Eschen geborgen;
John Graham ist heute gestorben um mich
Und ich sterbe um ihn morgen.«
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Balladen von Theodor Fontane

Diese Themen werden im Kapitel "Balladen" behandelt: Balladen im Unterricht. Balladentexte, Klassenarbeiten Unterrichtseinheit und Unterrichtsmaterial zu Balladen. Die bekanntesten Balladen von Goethe, Droste-Hülshoff, Schwab, Schiller und Fontane. Balladen für Klasse 7, Klasse 8, Klasse 9 und Klasse 10.

Die Interpretation einer Ballade in einer Klassenarbeit. Die Ballade im Deutschunterricht. Unterrichtseinheit und Unterrichtsmaterial zu Balladen.