Fabeln von Phaedrus
Der zum Arzt gewordene Schuster
Der Esel und der alte Hirte
Der Esel und der Löwe
Der Fuchs und der Rabe
Der Hirsch an der Quelle
Der Hund und das Stück Fleisch
Kuh und Ziege, Schaf und Löwe
Schaf, Hirsch und Wolf
Schaf, Hund und Wolf
Der Sperling, der dem Hasen ...
Der Wolf und der Kranich
Wolf und Fuchs vor dem
Der zum Arzt gewordene Schuster
Ein schlechter
Schuster, ganz in Not versunken, fing in der Fremde zu quacksalbern an. Mit
einem falschen Gegengift und übertriebenem Flunkern brachte er es zur
Berühmtheit. Da just der König dort an schwerer Krankheit danieder lag, verlangte
der ihn zu prüfen. So goss er Wasser in ein Trinkgefäß und tat als misch' er
Gift zum Gegengift: Darauf forderte der König ihn auf, selbst zu trinken. In
Todesangst gestand da der Schuster, in der Heilkunst über keine Kenntnisse zu
verfügen. Nur der Dummheit der Leute verdanke er seinen guten Ruf. Der König
rief das Volk und ließ ihm mitteilen:
„Wie albern, meint ihr, müsset ihr
wohl sein, dass ihr jemandem das Leben anvertraut, dem niemand seine Schuh zu
flicken gab.“
Die trifft das, deren Torheit ein Goldquell für die Unverschämtheit
wird.
Der Esel und der alte Hirte
Ändert sich
die Staatsgewalt, dann trägt der neue Herr für den Armen nur einen anderen
Namen.
Ein gebrechlicher Alter weidete sein Eselein. Plötzlich,
durch das Geschrei des Feindes erschreckt, rief er dem Esel zu: „Flieh, man fängt
uns sonst!“ Doch der antwortete gelassen: „Höre, glaubst du wohl, dass mir der
Sieger zwei Sättel auflegt?“ Der Greis verneinte es. „Nun, was liegt mir dran,
für wen ich trage? Ich muss auch weiterhin einen Sattel tragen.“
Der Schwächling, der sich selbst lobt, täuscht nur den Unbekannten; wer ihn
kennt, der verhöhnt ihn.
Der Esel und der Löwe auf der Jagd *2
Der Löwe ging mit dem Esel auf die Jagd.
Er steckte ihn hinter Sträucher und befahl ihm, mit ungewohntem Ruf das Wild zu
schrecken. Selbst fing der Löwe dann die Flüchtigen. Das Langohr schrie
plötzlich mit voller Kraft, dass der ungewohnte Schall die Tiere aufscheuchte.
Und wie die Tiere voll Angst den Fluchtpfad suchen, streckt sie der Löwe im
wilden Ansprung nieder. Des Mordens müde rief er den Esel und forderte ihn
auf zu schweigen. Darauf der eitle Narr: „Wie gefällt dir, Freundchen, die
Leistung meiner Stimme?“ „Ei“, spricht der, „trefflich! So
ausgezeichnet, wenn ich nicht deine Person und deine Art
gekannt hätte, wäre ich genauso vor Angst geflohen.“
Fuchs und Rabe *2
Wer sich das Lob des
listigen Schmeichlers genießt, wird durch Reue bestraft.
Vom Fenster
stahl der Rabe sich einen Käse und wollte ihn hoch auf einem Baum verschmausen.
Das sah der Fuchs und fing so an zu reden: „O Rabe, wie prächtig glänzt doch
dein Gefieder! Wie prangt der Leib von Anmut, wie das Antlitz! Sängst du auch
noch, du wärst der Erste unter den Vögeln!“ Wie nun der Narr seine Stimme zeigen
will, entfällt der Käse dem Schnabel, und der Fuchs fängt ihn mit gierigem Maul
auf.
Der Hirsch an der Quelle *2
Was du
verachtest, zeigt sich oft nützlicher, als was du lobst.
Der Hirsch stand an einer Quelle, wo er getrunken hatte, und sah sein Abbild in
der klaren Welle. So bewunderte er sein prächtiges Geweih, die allzu schlanken
Beine seines Körpers tadelte er. Plötzlich schreckte ihn der wilde Ruf der Jäger
und leichten Laufes fliegt er durch die Ebene, und verspottete die Hunde. Doch
als er in den Wald eindringt, bleibt sein Geweih im Gebüsch hängen. Sie wütenden
Hunde zerfleischen ihn. Da rief er sterbend noch die Worte aus: „Ich Ärmster,
der ich jetzt erst lerne, wie mir das nützlich war, was ich tadelte. Welches
Leid brachte mir das, was ich lobte!“
Der Hund, der ein Stück Fleisch durch den Fluss
trägt *2
Ein Hund, der schwimmend Fleisch durch einen Fluss trug,
erblickt sein eigenes Bild im klaren Spiegel. Im Wahn, ein anderer Hund trag'
andre Beute, will er es ihm rauben: doch — getäuschte Habgier! — Den Fraß, den er
im Maul hielt, ließ er fahren, noch weniger fasste er das, wonach er schnappte.
Am Eignen büßt mit Recht, wer Fremdem nachstrebt.
Kuh und Ziege, Schaf und Löwe *2
Kuh, Ziege und
Schaf, das stets geduldige, durchzogen den Wald. Als sie dort einen mächtigen
Hirsch erjagt und Teile draus gemacht hatten, sprach der Löwe: „Den ersten
nehm' ich, weil mein Name Löwe ist, den zweiten gebt ihr mir, weil ich so tapfer
bin, der dritte fällt mir zu, weil ich der Stärkste bin, Schlecht soll's dem
gehen, der mir den vierten anrührt.“
Nie ist der Bund mit Mächtigen
verlässlich: Die Fabel hier bezeugt meinen Satz.
Schaf, Hirsch und Wolf
Ruft ein Betrüger böse Bürgen auf, dann
schließe keinen Vertrag ab und hüte dich vor Schaden.
Vom Schaf erbat der Hirsch sich ein Maß Weizen. Der Wolf sei Bürge. Doch das
Schaf fürchtete Betrug: „Der Wolf pflegt zu rauben und wegzuschleichen, du dem
Blick mit Windeseile zu entfliehen: Wo suche ich euch, wenn ich den Wolf, den
Bürgen, treffe?“
Schaf Hund und Wolf
Der Lügner muß für seinen Betrug oft büßen.
Betrügerisch bat der Hund das Schaf um ein Stück Brot, welches es, behauptete er, von ihm
geliehen hatte. Der Wolf, als Zeuge aufgeführt, versicherte, nicht eins nur sei es
schuldig, sondern zehn. Verurteilt auf dieses falsche Zeugnis, zahlte das Schaf,
was es nicht schuldig war. Kurz darauf sah es in einer Grube nicht weit
entfernt den Wolf gefangen:
„So“, ruft es „belohnt die Gottheit den Betrüger!“
Der Sperling, der dem Hasen nützen will *2
Auf sich selbst nicht aufzupassen und doch anderen einen Rat geben, ist töricht.
Ein Hase, vom Aar (Adler) ergriffen, stöhnte kläglich. Da schalt der Sperling
ihn: „Wo bleibt die Sprungkraft, die man so rühmt?“ Wie er noch spricht, packt
selbst ihn unvermutet ein Raubtier und würgt den unnütz Jammernden. Halbtot
schon seufzt der Hase: „Ein Trost im Sterben! Sorglos verhöhntst du eben mein
Unglück und jetzt treibt dich dein Schicksal zu gleicher Klage!“
Der Wolf und der Kranich
Wer Lohn für
Dienste von den Bösen fordert, macht einen doppelten Fehler: Erst, dass er
Unwürdigen half, dann, weil er kaum ungestraft davonkommt.
Dem Wolf im Schlunde blieb ein Knochen stecken; von Schmerz überwältigt will er
andere Tiere durch Lohn anlocken, um das Übel herauszuziehen. Endlich vermag er
dazu den Kranich zu überreden, der seinen langen Hals der Gurgel des Wolfes
anvertraut, und den Wolf trotz Gefahr kuriert. Wie er den ausgehandelten Lohn
nun fordert, ruft jener: „Undankbarer, erst hast du deinen Kopf heil aus meinem
Schlund geholt und forderst nun Lohn?“
Wolf und Fuchs vor dem Richterstuhl des Affen *2
Wer einmal betrügt, dem schenkt man, auch wo er Wahrheit spricht, keinen
Glauben.
Der Wolf bezichtigte den Fuchs des Diebstahls; der
leugnete allen Anteil an der Schuld. Der Affe sollte Richter sein. Als beide
ihre Sache vorgetragen, erteilte der Affe, wie erzählt wird, den Beschluss:
„Du, so scheint es, verlorst gar nicht, weswegen du klagst,
Du, glaube ich,
stahlst, was du so schön verleugnest.“
Der Rabe und der Fuchs als Fabel von Äsop
Fabeln - berühmte Fabeln von Phaedrus
Die Fabel im Deutschunterricht. Eigenschaften der Tiere in der Fabel. Zerschnittene Fabeln. Eine Fabel wieder zusammensetzen. Unterrichtsentwurf für die die Weisheiten einer Fabel sinnvoll ergänzen. Die Stärken und Schwächen der Tiere einer Fabel benennen können.
Weisheiten einer Fabel richtig zuordnen können. Zwei verschiedene Fabeln wieder
richtig zusammensetzen.
Quelle: Die Fabeln des Phaedrus, 1806. 2. nach:
Phädrus des Freigelassenen des Augustus Phaedrussche Fabeln, 18